Das Lymphödem - Diagnose, Erscheinungsformen und Therapie

Übersicht:

Lymphödem

Charakteristisch für alle Lymphödeme ist eine Weichteilschwellung als Folge einer Anreicherung eiweißreicher Flüssigkeit im Gewebe durch Störung des Lymphtransportes. Daraus entwickelt sich eine chronische Erkrankung mit bleibenden typischen Verdickungen und Verhärtungen des Gewebes durch Eiweißfibrosen. Deshalb sind Lymphödeme in der Regel leicht zu diagnostizieren. In unklaren Fällen helfen spezielle Untersuchungen wie z.B. eine Lymphszintigraphie oder eine Lymphgefäßdarstellung  mit verschiedenen Methoden.

Das Lymphödem ist eine meist fortschreitend verlaufende Erkrankung. 

Man unterscheidet zwei Arten von Lymphödemen, das primäre und das sekundäre Lymphödem. 

Primäres Lymphödem

Primären Lymphödemen liegt eine anlagenbedingte Entwicklungsstörung des Lymphgefäßsystems und/oder der Lymphknoten in der Embryonalphase zugrunde. Das daraus resultierende Lymphödem ist selten bereits bei der Geburt vorhanden, oft manifestiert es sich in der Entwicklungsphase der Pubertät oder später bei Frauen in der Schwangerschaft, in der Regel aber in der ersten Lebenshälfte. Beinlymphödeme sind am häufigsten.

Die seltenen hereditären oder erblichen Lymphödeme (etwa 3 % der primären Lymphödme) werden von den sporadischen unterschieden (ca.95 %), hinzu kommen syndrombegleitende Lymphödeme ( ca. 2%, z. B. Turner-Syndrom, Klippel-Trenaunay-Syndrom).

Zur Therapie von Lymphödemen

Sekundäres Lymphödem

Das sekundäre Lymphödem ist im Vergleich zum primären Lymphödem Folge einer Schädigung des Lymphtransportsystems. 

Folgende Lymphödeme werden unterschieden:

Postoperatives Lymphödem

In dieser Gruppe sind alle Lymphödeme durch Schäden an Lymphgefäßen und/oder Lymphknoten zusammengefasst, die durch diagnostische oder the-rapeutische ärztliche Maßnahmen entstanden sind.

Dazu gehören: 
Lymphknotenentfernung (diagnostisch oder therapeutisch), meist im Zusammenhang mit einer Krebsbehandlung

Verletzung im Bereich großer Lymphgefäßbündelungen, besonders an der Beininnenseite nach z.B.:

  • Venenentnahme für koronare Bypassoperation
  • Meniskusoperation
  • Gefäßchirurgische Eingriffe
  • Komplikation nach Arterien-punktion in der Leiste

Durch den zeitlichen Zusammenhang  und die Lokalisation des operativen Eingriffs lässt sich das sekundäre, postoperative Lymphödem vom primären Lymphödem gut unterscheiden.

Lymphödeme können bei Tumorpatienten entstehen, wenn Lymph-knoten entfernt werden und dadurch der Lymphabfluss der Extremität blockiert wird. Das Armlymphödem nach Brustkrebsoperation infolge Lymphknotenentfernung aus der Achsel ist das häufigste Lymphödem in dieser Gruppe.

Ein Beinlymphödem kann sich immer dann entwickeln, wenn bei der Tumoroperation Lymphknoten in der Leiste, im Becken oder im Bauch entfernt werden. Das trifft in erster Linie für Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane, des Enddarmes oder der Harnblase zu.

Zur Therapie von Lymhödemen

Postradiogenes Lymphödem (Folge einer Strahlentherapie)

Durch die Bestrahlung der zum Primärtumor gehörenden Lymphabflussgebiete in der Achsel, der Leiste und im Becken-Bauch-Bereich kann der Lymphtransport der Arme und Beine beeinträchtigt werden. 

Vermutlich sind Spätreaktionen wie Fibrosen- und Nekrosenbildungen oder Funktionsstörungen Folge einer chronisch-entzündlichen Reaktion.  Dementsprechend manifestieren sich Lymphödeme als Folge der Strahlenschädigung u.U.erst nach Jahren. Im Gegensatz dazu bildet sich das Lymphödem als Folge eines operativen Eingriffs an den Lymphknoten zeitnah zum Ereignis aus.

Strahlenschäden sind heute durch moderne Bestrahlungstechniken äußerst selten!

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Posttraumatisches Lymphödem

Das posttraumatische Lymphödem entspricht in seinen Folgen dem postoperativen Lymphödem.

Es unterscheidet sich durch das Schädigungsmuster. Posttraumatische Lymphödeme entstehen nach Gewebsquetschungen und Zer-reißungen, offenen Frakturen, Ver-brennungen, Verätzungen oder Schnittverletzungen. 

Das akute traumatische Lymphödem, das bis zu 6 Monate nach der Verletzung mit einer Ödembildung einhergehen kann, ist vom chronisch-posttraumatischen Lymphödem zu unterscheiden, welches länger als 6 Monate besteht und im Vergleich zum akuten traumatischen Lymphödem nicht reversibel ist. 

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Postentzündliches Lymphödem

Ursächlich handelt es sich dabei um Folgen einer Lymphgefäß- oder Lymphknotenentzündung nach Gewebeverletzung und/oder Weichteilinfektion. In diese Gruppe gehören auch die durch Infektion (Erysipele) und Parasitenbefall (Filariasis) hervorgerufenen entzündlichen Lymphödeme. 

Erysipelinfektionen (Wundrose) zählen zu den häufigsten Komplikationen von Lymphödemen. Sie können in seltenen Fällen aber auch Ursache eines Lymphödems sein, wenn schwere akute Infektionen oder die zu Rezidiven neigenden bakteriellen Entzündungen der Haut und des Unterhautgewebes zu einer bleibenden Schädigung des lymphatischen Drainagesystems führen.

Zu den parasitären Lymphödemen gehört die Infektion durch Filarien (Fadenwürmer), die in Europa extrem selten zu beobachten ist. Die Erkrankung ist in tropischen und subtropischen Regionen endemisch. Filarien werden durch Mosquito übertragen. Der Aufenthalt in diesen Regionen muss immer Anlass zum differenzialdiagnostischen Ausschluss einer Filariasis bei akut aufgetretenem Lymphödem sein. 

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Artifizielles Lymphödem

Das Lymphödem wird durch Selbstschädigung, meist durch Abschnüren der Extremität hervorgerufen. Flucht in die Krankheit ist in der Regel das Motiv. Weil viele Ärzte dieses Krankheitsbild nicht kennen, wird die Selbstschädigung als Ursache des Lymphödems in der Regel nicht diagnostiziert. Dabei lenkt schon der typische Krankheitsverlauf sowie der typische Schnürfurchenbefund frühzeitig auf eine Selbstschädigung hin. 

Die Lymphödeme werden als schmerzhaft geschildert, was untypisch ist. Plötzliche Ödemverschlechterung während therapeutischer Maßnahmen, der Wechsel der Lokalisation des Lymphödems oder typische Strangulationszeichen sind wegweisend.

Zur Therapie von Lymhödemen

Malignes Lymphödem

Diese Lymphödeme entstehen dadurch, dass ein maligner Tumor oder seine Metastasen den Lymphabfluss blockieren. Im Rahmen der Tumornachsorge sind bei jedem neu aufgetretenen Lymphödem ein Tumorrezidiv oder eine Metastasierung auszuschließen, ebenso bei einer plötzlichen Zunahme eines bereits vorhandenen und über längere Zeit konstanten Lymphödems. Auf eine lymphogene Metastasierung weist eine Ödemzunahme der proximalen Ödemanteile hin und ein Übergreifen des Ödems auf den Körperstamm. Auch Schmerzen in der Ödemextremität, eine zunehmende Kraftlosigkeit und Gefühlsstörungen können Hinweis auf eine tumorbedingteNervenschädigung sein. Hochgradig verdächtig sind tastbare Lymphknoten im Lymphabflussgebiet des Tumors sowie Hautverfärbungen und Knotenbildungen infolge einer Hautmetastasierung.

Zur Therapie von Lymhödemen

Einteilung von Lymphödemen in Stadien und Schweregrad

Stadium 0 (Latenzstadium):

Das Lymphgefäßsystem arbeitet zwar nicht effizient genug, aber gerade noch kompensiert. Ein Stadium 0 ist nur durch spezielle Untersuchungstechniken diagnostizierbar.

Stadium 1:

  • Reversibles Lymphödem (spontan oder infolge Therapie)
  • Keine Eiweißfibrose
  • Keine Gewebsveränderungen der Haut

Hochlagerungen bessern das Ödem.

Stadium 2 (irreversibels Stadium des Lymphödems):

  • Manifestes Lymphödem
  • Subkutane Eiweißfibrose (an den Zehen als Stemmer‘sches Zeichen bekannt - bekannt – die Haut der Zehen lässt sich nicht mehr abheben)
  • Leichte Hautveränderungen als Pachydermie, Hyperkeratose oder Papillomatose 

Das Stadium 2 entspricht dem typischen Lymphödem. Es lassen sich Gewebeverfestigungen (s.g. Fibrosen) nachweisen.

Stadium 3 (kompliziertes Stadium des Lymphödems):

  • Manifestes Lymphödem
  • Massive subkutane Eiweißfibrose    (=Elephantiasis)
  • Schwere Hautveränderungen als Pachydermie, Hyperkeratose, lymphostatische Papillomatose, Nagelveränderungen, Lymphzysten, Lymphfisteln, Ekzeme, Ulzera, Interdigitalmykosen, häufige Erysipele

Eine extrem seltene Komplikation ist das Angiosarkom (Steward-Treves-Syndrom).

Ödemmessung
In den Asdonk-Kliniken wird gemäß der 4-cm-Methode nach Professor Kuhnke der Umfang der Extremitäten im Abstand von 4 cm gemessen und daraus das Ödemvolumen bestimmt. Weitere Methoden der Volumenmessung sind die Plethysmografie (Verdrängungsmessung durch Eintauchen in Wasser) und die moderne, wenn auch sehr teure optoelektronische Messung mittels Perometer.

Letztere Methode wird als Standardverfahren in der Seeklinik Zechlin durchgeführt. In einer Studie, die international publiziert wurde, konnten wir für das perometrische Verfahren eine sehr gute Präzisaion mit geringer Fehlerquote nachweisen.

Beim einseitigen Ödem kann das Volumenplus in Prozent zur gesunden Extremität angegeben werden. Unter ambulanten Bedingungen hilft der Ödemgradmesser nach Herpertz, mit dessen Hilfe aus dem Umfang in cm an der gesunden und der Ödemextremität am Meßpunkt der Mehrumfang in % abgelesen werden kann. Der Ödemgradmesser ist in den Asdonk-Kliniken erhältlich.

Ödemgrade
bis 25% = geringes Ödem
bis 50% = mäßiges Ödem
bis 100% = starkes Ödem
bis 200% = massives Ödem
über 200% = gigantisches Ödem

Bei beidseitigen Lymphödemen kann das Volumenplus nur geschätzt werden im Verhältnis zu einer fiktiven Normalextremität.