Differentialdiagnostisch wichtige Ödeme

Neben den genannten, nur mit manueller Lymphdrainage und Kom-pressionstherapie behandelbaren Ödemkrankheiten, gibt es weitere, mit Ödemen einhergehende Erkrankungen, die primär nicht mit manueller Lymphdrainage behandelt werden oder nur mit Medikamenten, wie das kardiogene Ödem.

Die Übersicht:

Das kardiogene Ödem
Das orthostatische Ödem
Das Idiopathische Ödem
Das diuretika-indizierte Ödem

Kardiogenes Ödem

Die peripheren Stauungsödeme sind Folge einer Rechtsherzinsuffizienz, die zu einer Druckerhöhung im peripheren Venensystem führt. Dadurch entstehen Ödeme, beginnend an den Unterschenkeln, die sich auf die Oberschenkel und im schwersten Fall auch auf den Körperstamm, insbesondere auf die Bauchhaut ausdehnen können. Nicht selten wird bei extrem dicken Patienten das Ödem nicht erkannt, wie bei dem Patienten in Abbildung 25 (nächste Seite).

Kardiogene Ödeme sind immer symmetrisch und tief dellbar, da es sich um eiweißarme Ödeme handelt. Sie treten im fortgeschrittenen Alter auf. Die Patienten haben in der Anamnese in der Regel eine chronische Lungenerkrankung und/oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. 

Die Behandlung kardiogener Ödeme erfolgt medikamentös.  Zur  Basistherapie gehört die Behandlung mit Diuretika. Patienten, die ein physikalisch zu behandelndes Ödem der Beine haben und bei denen zusätzlich Hinweise auf eine Herzinsuffizienz bestehen, müssen engmaschig internistisch überwacht werden, ggf. muss die Diuretika-Dosis erhöht werden. Solche Patienten sollten in eine lymphologische Fachklinik zur Ödembehandlung eingewiesen werden, weil hier die Voraussetzungen für eine adäquate medizinische Überwachung gegeben sind. Den Stauungsödemen lässt sich durch die Verordnung von Kompressionskniestrümpfen in Kl. 2 vorbeugen. Voraussetzung ist eine gute medikamentöse Einstellung. Die dekompensierte Herzinsuffizienz ist eine Kontraindikation für manuelle Lymphdrainagetherapie und muss im Akutkrankenhaus behandelt werden.

Orthostatisches Ödem

Orthostatische Ödeme treten immer nur an den Unterschenkeln auf und betreffen nur Frauen. Auslöser sind, wie der Name bereits sagt, orthostatische Belastungen. Dazu gehören lang andauernde Geh-, Steh- oder Sitzbelastungen. Es ist das typische Ödem der Verkäuferin, die abends über symmetrische leichte Schwellungen und Spannungsgefühle der Unterschenkel klagt. Über Nacht sind diese Ödeme immer reversibel und nicht progredient. Durch Tragen von Kompressions-Kniestrümpfen ist dieser Ödembildung vorzubeugen. In der Bestrumpfung sollten sich die Betroffenen möglichst viel bewegen, weil dadurch die Ödemrückbildung gefördert wird. 

Idiopathisches Ödem

Auch dieses Ödem betrifft nur Frauen. Es tritt immer symmetrisch auf und ist praktisch nicht sichtbar. Die Patientinnen klagen über generalisierte Schwellneigungen mit Schwellungs- und Spannungsgefühlen. Die Ursache ist eine allgemein erhöhte Kapillarpermeabilität. Da diese variabel ist, kommt es zu unerklärlichen Gewichtsschwankungen. Charakteristisch ist eine morgendliche Spannungssymptomatik im Bereich der oberen Körperhälfte, nachmittags mehr in den Beinen. Differenzialdiagnostisch müssen alle anderen Ödemformen, die zu einer generalisierten Ödembildung führen, ausgeschlossen werden. Eine Ödembesserung wird durch Bewegung, insbesondere Schwimmen angegeben, unterstützend kann eine manuelle Lymphdrainage durchgeführt werden. Wir empfehlen prophylaktisch das Tragen einer Kompressions-Strumpf-hose in Klassse 2.

Diuretika-induziertes Ödem

Diuretika sind indiziert bei schwerer Herzinsuffizienz, Hypertonie im Alter, Aszites, Niereninsuffizienz, ggf. symptomatisch bei Eiweiß-mangelödemen. 

Kurz wirksame Diuretika (Piretanid, Furosemid, Etacrynsäure) sollten grundsätzlich nur bei Niereninsuffizienz oder akut dekompensierter Herz-insuffizienz gegeben werden, ansonsten sind mittellang wirkende Kombi-nationsdiuretika vorzuziehen, da diese auch kaliumneutral sind. Werden Diuretika bei anderen Ödemkrankheiten und somit nicht indiziert gegeben, kann es durch langfristige und regelmäßige Einnahme zu einem Verlust an Elektrolyten und Wasser kommen. Durch den Elektrolytmangel wird über das Renin-Angiotensin-System verstärkt Aldosteron in der Nebennierenrinde produziert und durch den Wassermangel vermehrt Adiuretin aus der Hypophyse freigesetzt. 

Bei Nachlassen der Diuretika-Wirkung kommt es dann durch die erhöhten Hormonspiegel zu einer verstärkten Einlagerung von Wasser im gesamten Körper mit einem dadurch entstehenden generalisierten Spannungsgefühl, das wiederum zur Einnahme von Diuretika führt. So entsteht ein Circulus Vitiosus. Setzen die Patienten die Diuretika ab, lagern sie innerhalb von kurzer Zeit mehrere Liter Wasser ein, was wir als Diuretika-induziertes Ödem bezeichnen. Differenzialdiagnostisch ist dieses Ödem vom idiopathischen und zyklisch-praemenstruellen Ödem abzugrenzen. Die Symptome sind gleich, nur beim zyklisch prämenstruellen Ödem verschwinden die Ödembeschwerden mit Einsetzen der Menstruation. Objektivieren lassen sich allenfalls praetibial (an der Schienbeinvorder-kante gelegene) flach dellbare Ödeme und Gewichtsschwankungen. Das Diuretika-induzierte Ödem wird fast ausschließlich bei Frauen beobachtet. Nach Absetzen der Diuretika und Kompensation der Ödembeschwerden durch manuelle Lymphdrainage normalisieren sich der Aldosteron- und Adiuretinspiegel wieder innerhalb von 2 bis 4 Wochen. Die Patienten verspüren dann einen deutlichen Rückgang der Symptomatik.