Therapie von Lymphödemen

Konservative Therapie

Standardtherapie ist die von Dr. Johannes Asdonk 1973 begründete Physikalische Ödemtherapie, auch unter dem Namen komplexe physikalische Entstauungstherapie bekannt.

Sie besteht aus folgenden Säulen:

  1. Manuelle Lymphdrainage
  2. Kompressionstherapie
  3. Bewegungstherapie
  4. Hautpflege und Hautsanierung
  5. Selbstmanagement - weitere Informationen finden Sie hier

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Asdonk Standard

Der Asdonk-Standard, nach dem heute noch in den Asdonk-Kliniken erfolgreich behandelt wird, umfasst:

  • 1-2x täglich Manuelle Lymphdrainage in Abhängigkeit von Art und  Schweregrad der Erkrankung à 30-60 Minuten
  • Kompressionsbandagierung der Ödemextremität 
  • Gymnastik und Bewegung in der Kompressionsbandage

Die komplexe physikalische Entstauungstherapie besteht aus 2 Phasen. Die Phase I, auch Entstauungsphase genannt, wird in der Regel stationär durchgeführt. Spezielle lymphologische Schwerpunktpraxen können diese Phase jedoch auch ambulant durchführen. In der Phase II steht die Erhaltung des Behandlungsergebnisses sowie die Optimierung desselben im Vordergrund. Hier wird die manuelle Lymphdrainage grundsätzlich in Abhängigkeit des lymphologischen Befundes durchgeführt. Eine Kompressionstherapie ist lebenslang notwendig.
Durch die speziellen Griffe der manuellen Lymphdrainage wird das Ödem vermindert.

Durch häufige Wiederholung der Griffe während einer Behandlung werden die Lymphgefäße zu einer verstärkten Aktivität angeregt, so dass es zu einer anhaltenden Steigerung der Lymphtransportkapazität kommt. Durch langfristige, regelmäßige Anwendung wird außerdem die Ausbildung funktionsfähiger Umgehungswege in der Haut gefördert.

Die Frequenz der manuellen Lymphdrainage ist vom lymphologischen Befund und vom Stadium des Lymphödems sowie von der Therapiephase abhängig (s.nachfolgende Tabelle).

Stadium     Phase I     Phase II
Stadium I   1 x täglich, ambulant bis 21 Tage   Befundadaptiert und individuell, intermittierend oder kontinuierlich
Stadium II   2 x täglich ambulant oder stationär bis 28 Tage   befundadaptiert
Langzeittherapie, bei Progression Wiederholung der Phase I
Stadium III   nur stationär bis ca. 35 Tage
mehrmals täglich 
  Befundadaptiert,
Langzeittherapie, bei Progression Wiederholung der Phase I

Stadienadaptierte lymphologische Therapie in Phase I und II 
(AWMF-Leitlinien zum Lymphödem)

Manuelle Lymphdrainage

Die manuelle Lymphdrainage ist ein physikalisches Behandlungsverfahren. Durch langjährige Erfahrungen wurden spezielle Handgriffe herausgearbeitet, die entlang der herzwärts gerichteten Lymphabflüsse so ausgeführt werden, dass daraus eine langsame und druckarme Gewebsverformung resultiert. Durch häufige Wiederholung der Griffe während einer Behandlung werden die Lymphgefäße zu einer verstärkten Aktivität angeregt, so dass es zu einer anhaltenden Steigerung der Lymphtransportkapazität kommt. Durch langfristige, regelmäßige Anwendung wird außerdem die Ausbildung funktionsfähiger Umgehungswege in der Haut gefördert.

Für die Durchführung der Manuellen Lymphdrainage sind Lymphtherapeuten zuständig. Das sind speziell weitergebildete und geprüfte Krankengymnasten, Masseure und Physiotherapeuten. 

Weitere Informationen zum Thema der Fortbildung zur Manuellen Lymphdrainage für Therapeuten finden Sie hier. 

Kompressionstherapie

Im Anschluss an die manuelle Lymphdrainage muss eine Kompressionstherapie erfolgen, um einen Rückstau in das durch Lymphdrainage weich gewordene Gewebe zu verhindern. Das kann durch Anlegen einer Kompressionsbandage an Armen oder Beinen oder durch Anziehen von Kompressionsstrümpfen geschehen. Diese Kompression ist tagsüber zu tragen. Eine Nachtkompression kann sinnvoll sein, wenn sich das Ödem dadurch bessern lässt.

Die Kompressionstherapie wird in der Phase I mit täglich anzupassenden Wechselverbänden durchgeführt, in der Phase II kommen flachgestrickte medizinische Kompressionsstrümpfe verschiedener Kompressionsklassen zur Anwendung.

Die Bestrumpfung muss so gewählt werden, dass das Ödem komplett eingeschlossen ist. Beschränkt sich das Ödem auf die Unterschenkel, reichen Kompressionskniestrümpfe. Endet das Ödem unterhalb der Leiste, können Leistenstrümpfe ausreichend sein. Eine Strumpfhose ist notwendig, sobald sich das Ödem über die Leistenregion in den Unterbauch, ins Genitale oder ins Gesäß fortsetzt.

Wichtig ist es, zu überprüfen, ob die Patienten in der Lage sind, die Strümpfe selbstständig anzuziehen. Das kann insbesondere für ältere Patienten mit degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen ein Problem sein. Mitunter reicht eine zusätzliche Adipositas, die aufgrund der Bauchfettvermehrung die Patienten daran hindert sich zu bücken und ihre Bestrumpfung allein anzuziehen. Das ist insbesondere bei Strumpfhosen ein Problem. Hier bietet sich alternativ eine zweiteilige Bestrumpfung an, bestehend aus z.B. einer Caprihose, die bis zu den Unterschenkeln reicht, kombiniert mit Kniestrümpfen, die darunter oder darüber getragen werden. Auch eine Kombination aus Bermudahose und Leistenstrümpfen ist möglich. Außerdem können Anziehhilfen verordnet werden. Reicht das nicht aus, sind Angehörige oder die Sozialstation für eine Hilfestellung notwendig.

In begründeten Einzelfällen ist eine Kompromisslösung notwendig. Eine solche sollte mit den verordneten Ärzten besprochen werden.

Bewegungstherapie

Eine auf das Krankheitsbild abgestimmte Bewegungstherapie verbessert den Lymphabfluss und ist ebenfalls als wichtiger Baustein des Therapiekonzeptes anzusehen.

Durch die Bewegung in der Kompression wird der therapeutische Effekt der manuellen Lymphdrainage deutlich und anhaltend erhöht.

Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK)

Dazu gehört die Behandlung mit einem Kompressionsgerät (z.B. Lympha Press-Gerät der Firma Villa Sana). 

Grundsätzlich kann die intermittierende pneumatische Kompression  die manuelle Lymphdrainage nicht ersetzen.
Beim Lymphödem darf dieses Gerät allein nur eingesetzt werden, wenn ein geringgradiges Lymphödem vorliegt und der Lymphabfluss im Bereich der Achsel oder Leisten und im Becken funktioniert, d.h. keine Operation oder Radiatio im Bereich von Leisten- oder Beckenlymphknoten vorausgehen.

Bei schwergradigen Lymphödemen ist eine manuelle Lockerung der Fibrosen notwendig besonders am Fuß und an der Hand. Außerdem muss mittels manueller Lymphdrainage der Lymphabfluss angeregt werden, so dass die mit dem Kompressionsgerät zum Körper gepumpte Lymphflüssigkeit abfließen kann. Deshalb ist bei schwergradigen Lymphödemen immer die Kombination von manueller Lymphdrainage und IPK notwendig

Das Lymphödem ist das Symptom einer chronischen Abflussbehinderung in den Lymphgefäßen. Da diese nicht zu beseitigen ist, muss die Behandlung über lange Zeit, häufig sogar ein Leben lang, durchgeführt  werden. Die physikalische Therapie kann nur das Ödem abdrainieren. Sobald Fibrosebildungen im Gewebe hinzukommen, bleibt dadurch bedingt eine Restverdickung der Extremität. Ein Arm oder Bein mit einem chronischen Lymphödem kann durch die lymphologische Behandlung erfolgreich und nachhaltig gebessert, aber nicht geheilt werden.

Operative Therapie des Lymphödems

Seit 1980 besteht die Möglichkeit, spezielle operative Verfahren zur Behandlung des Lymphödems anzuwenden. Solche operativen Verfahren werden weltweit nur in sehr geringer Anzahl durchgeführt, da sich nur sehr wenige Lymphödempatienten dafür eignen.
Folgende Verfahren sind möglich:

  • Lymphgefäßtransplantation
  • Lymphovenöse und lymphonodulovenöse Anastomaosen
  • Lymphknotentransfer
  • Lipolymphosuktion
  • Reaugmentation der Axilla (bei Patientinnen mit Armlymphödem nach Mammacarcinom)

Ob eines der genannten Verfahren zum Einsatz kommen kann, ist individuell zu beurteilen. Auf Details wird deshalb hier nicht eingegangen. In den Leitlinien zum Lymphödem wird die Lymphgefäßtransplantion als vorrangiges Verfahren, wenn machbar, empfohlen.

Hautpflege / Hautsanierung

Eine wichtige Therapiesäule ist die Hautpflege,  dazu eignen sich sauer gepufferte Pflegemittel (pH5). Vor dem Anlegen eines Kompressionsverbandes und nach dem Ausziehen  der Bestrumpfung oder Abwickeln des Verbandes sollte die Hautpflege vorgenommen werden.
Gegebenenfalls, z.B. bei offenen Stellen,  ist eine Hautsanierung im Rahmen eines speziellen Wundmanagements notwendig.

Falsche und unzureichende Behandlung von Lymphödemen

Die dauerhafte Behandlung von Lymphödemen mit Wassertabletten (Diuretika) ist falsch. Beim Lymphödem kann das langfristig zu irreversiblen Schäden führen. Die Wassertabletten entfernen zwar das Wasser aus dem Gewebe, nicht aber die Eiweiße, die nur über die Lymphgefäße abtransportiert werden können. Aus den Eiweißen wird später Bindegewebe. Das bedeutet für ein Lymphödem die Zunahme der Verdickung von Haut und Unterhautgewebe durch Fibrosen, die nicht mehr rückbildungsfähig sind.

Die Diuretika dürfen jedoch nicht abgesetzt werden, wenn internistische Erkrankungen vorliegen, die zwingend mit Diuretika behandelt werden müssen. Hier ist die Rücksprache mit dem verordnenden Arzt notwendig.

Eine alleinige Behandlung von sekundären Lymphödemen mit einem Kompressionsgerät führt dazu, dass das Ödem bis zur Leistenregion oder Achselregion vorgeschoben wird und dort bei vorhandener Blockierung des Lymphabflusses z.B. als Folge einer Lymphknoten-Operation oder Bestrahlung nicht mehr abfließt. Eine Ödemverschlechterung mit Stauungswülsten und vermehrter Bindegewebsbildung in diesem Bereich ist die Folge.

Eine völlig unzureichende Behandlung von Ödemen liegt vor, wenn ausschließlich eine manuelle Lymphdrainage ohne Kompressionstherapie durchgeführt wird. Der therapeutische Effekt der manuellen Lymphdrainage, d.h. die Anregung des Lymphabflusses, hält nur etwa 24 Stunden an. Dadurch füllt sich das Gewebe kurze Zeit nach Beendigung der Behandlung wieder mit Ödemflüssigkeit. Wird aber gleich im Anschluss an die Therapie eine Bandage angelegt oder ein Kompressionsstrumpf getragen, wird die Wirkung noch verstärkt und hält bei zusätzlicher Bewegung in der Kompression über Tage an. Zu vermeiden sind Abschnürungen durch falsche Bandagen oder schlecht angemessene Strümpfe.
Eine mit der komplexen physikalischen Entstauungstherapie konkurrierende medikamentöse Therapie ist nicht bekannt. Wirksamkeitsstudien für homöopathische Mittel fehlen.

Kontraindikationen für die manuelle Lymphdrainage

Absolut: 

  • Dekompensierte Herzinsuffizienz NYHA-Stadien III und IV,
    die MLD darf wegen der Gefahr der Verschlechterung der Herzinsuffizienz und des möglichen Herzversagens nicht durchgeführt werden
  • akute tiefe Beinvenenthrombose,
    auf Grund der Gefahr einer Lungenembolie ist die manuelle Lymphdrainage absolut kontraindiziert. Sie darf wieder aufgenommen werden, wenn nach Ultraschallkriterien die Unbedenklichkeit festgestellt wurde. 
  • erosive Dermatosen, akutes schweres Erysipel und andere Infektionen,
    es darf keine Manuelle Lymphdrainage angewandt werden, weil die Gefahr der Weiterverbreitung von Krankheitskeimen über das Lymphsystem besteht. Geht die Entzündung zurück und ist kein Fieber vorhanden, kann wieder mit der manuellen Lymphdrainage begonnen werden. 
  • arterielle Verschlusskrankheit Stadium III / IV
    schwere arterielle Verschlusskrankheiten sind eine absolute Kontraindikation für die Kompressionstherapie. Mittels Dopplerdruckmessungen gelingt die Einschätzung hinsichtlich der Schwere der Erkrankung.

Relativ: 

  • Malignes Lymphödem, 
  • Hautinfektionen, Hauterkrankungen (z.B. blasenbildende Dermatosen), 
  • Arterielle Verschlusskrankheit Stadium I/II

Weiterhin ist zu beachten:

Eine Bauchtiefdrainage darf nicht durchgeführt werden bei:

  • Schwangerschaft
  • Chronisch- entzündlichen Darmerkrankungen und anderen intraabdominellen Prozessen wegen der Gefahr der Verschlechterung der Erkrankungen
  • Bauchaortenaneurysma wegen der Gefahr der Ruptur des Aneurtysmas

Ambulante Behandlung

Ziel der ambulanten Behandlung ist es, das zur Progression neigende Lymphödem so zu behandeln, dass das Fortschreiten aufgehalten wird. Damit kann Komplikationen und einer Behinderung vorgebeugt werden. Die fortschreitende Ödematisierung kann am Arm bis zur Gebrauchsunfähigkeit und am Bein bis zur Gehunfähigkeit führen. 

Die ambulante lymphologische Therapie richtet sich in ihrer Intensität und wöchentlichen Frequenz grundsätzlich nach dem lymphologischen Befund.
Ist trotz regelmäßiger ambulanter Behandlung eine Ödemzunahme nachweisbar, liegt die medizinische Indikation für eine stationäre Behandlung in einer lymphologischen Fachklinik vor.

Die ambulante Verordnungsfähigkeit der manuellen Lymphdrainage ist durch die seit dem 1.1.2021 gültigen Heilmittelrichtlinien geregelt. Patienten mit einem Lymphödem ab Stadium II haben Anspruch auf langfristigen Heilmittelbedarf ohne dass ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden muss. Für den verordnenden Arzt ist dieser langfristige Heilmittelbedarf budgetneutral. Es kann ein 12-Wochenenbedarf rezeptiert werden, der auch in dieser Zeit abgearbeitet werden sollte. Für Lymphödempatienten im Stadium I gilt diese Regelung nicht. In diesen Fällen gilt die Verordnung von 6 Behandlungseinheiten pro Rezept und einer Gesamtverordnung von 30 Behandlungseinheiten.